SOKA-Pflicht unwirksam – und nun? FAQ

SOKA-Pflicht unwirksam – und nun? FAQ     

 

Ich habe im Verfahren 10 ABR 33/15 einen der Antragsteller vertreten und war an der Anhörung vor dem Bundesarbeitsgericht am 21.09.2016 in Erfurt beteiligt. Hier seine Antworten auf die wichtigsten Fragen:

 

Was genau hat das BAG entschieden?

 

Das Bundesarbeitsgericht hat am 21.09.2016 die Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) des Verfahrenstarifvertrages für das Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft aus den Jahren 2008, 2010 und 2014 für unwirksam erklärt. Dies betrifft die Beitragspflicht nicht tarifgebundener Baubetriebe für die Zeiträume Oktober 2007 bis Dezember 2011 und Januar 2014 bis Dezember 2014. Die Entscheidungen sind rechtskräftig.

 

Was gilt für die Jahre 2012 und 2013?

 

Beim Bundesarbeitsgericht sind noch Verfahren anhängig, die die AVE der Jahre 2011, 2012 und 2013 betreffen. Nach Auskunft des BAG sollen diese Verfahren im Dezember terminiert werden.

                                                                                      

Warum sind nach Auffassung des BAG die AVE unwirksam?

                                                

Das Gericht hat in der Anhörung am 21. September in Erfurt deutlich erkennen lassen, dass es die seinerzeit übliche Vorgehensweise des BMAS, die Verfügung zur Allgemeinverbindlicherklärung durch einen Referatsleiter vornehmen zu lassen, als Verstoß gegen das Demokratiegebot des Art. 20 GG wertet. Zudem bemängelt das Gericht die Praxis, wie das BMAS die Frage geprüft hat, ob mindestens 50 % aller Bauarbeiter bei tarifgebundenen Arbeitgebern tätig sind. Das Ministerium hat dabei all die Arbeitnehmer nicht mitgezählt, die aufgrund der von den Tarifvertragsparteien vereinbarten „Großen Einschränkungsklausel“ von der Beitragspflicht nicht erfasst werden. Diese Beschränkung bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahl ist nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom Wortlaut des § 5 TVG a.F. nicht gedeckt. Andere belastbare Zahlen konnte das BMAS nicht nennen. Damit fehlt dem BMAS nach Ansicht des BAG eine für die Prüfung tragfähige Grundlage.

                                    

Werden die übrigen Allgemeinverbindlicherklärungen ebenfalls aufgehoben werden?

 

Wir wissen selbstverständlich nicht, wie das Bundesarbeitsgericht in den noch ausstehenden Anhörungen entscheiden wird. Allerdings gelten die vom Gericht in der Anhörung am 21. September geäußerten Bedenken auch für diese noch anhängigen Verfahren.

 

Was ist mit den gezahlten Beiträgen? Muss die SOKA diese nun erstatten?

 

Für die Zahlungen von Beiträgen für die betroffenen Zeiträume ist der Rechtsgrund nachträglich entfallen. Damit auch die Legitimation für das „Behaltendürfen“. Von der Rückforderung sind aber die Beiträge ausgeschlossen, für die es bereits Erstattungsleistungen gegeben hat. Hier helfen wir gern bei der Ermittlung des konkreten Anspruchs und seiner Durchsetzung.

                                                                                      

Was gilt, wenn die Beitragspflicht in einem Urteil rechtskräftig festgestellt worden ist?

 

Sofern aus diesem Urteil die Zwangsvollstreckung noch nicht beendet wurde ist es möglich, gegen die Vollstreckbarkeit des Urteils eine Vollstreckungsabwehrklage einzulegen. Während Leistungs-, Feststellungs- und Gestaltungsklagen zum üblichen Prozessalltag gehören, sind vollstreckungsrechtliche Klagen in der Praxis eher selten. Bei diesen Klagen muss genau auf die Einhaltung der Zulässigkeitsvoraussetzung geachtet werden. Hier bieten wir zügige Hilfe an.

                                                                                   

In den meisten Fällen wird aus den Urteilen schon alles bezahlt worden sein. Was gilt hier?

 

In diesen Fällen muss das Urteil selbst angegriffen werden. Wie das BAG in seiner Pressemitteilung richtig darlegt ist allein der Beschluss über die Unwirksamkeit der AVE nicht ausreichend für die Wiederaufnahme des alten Verfahrens. Allerdings ist eine sogenannte Restitutionsklage zulässig, wenn der Baubetrieb etwa eine Urkunde zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Hier handelt es sich stets eine Frage des Einzelfalls, die in die Hand eines erfahrenen Anwalts gehört. Gern prüfen wir konkret, ob die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme vorliegen.

 

Und wenn ein Bauunternehmer wegen der Nichtzahlung von SOKA-Beiträgen mit einem Bußgeld oder gar einer Geld- oder Haftstrafe belegt worden ist?

 

Wir haben unter den ETL-Anwälten auch erfahrene Strafrechtler, die konkrete Fälle sicher beurteilen können.

 

Wie steht es um weitergehende Schäden, etwa wenn ein Betrieb von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen wurde oder gar Insolvenz anmelden musste?

 

In diesen Fällen wird es darauf ankommen, ob den Tarifvertragsparteien bei der Beantragung und/oder dem BMAS bei der Verfügung der Allgemeinverbindlicherklärung haftungsrechtlich Vorwürfe gemacht werden können. Für eine Aussage dazu müssen zunächst die Entscheidungsgründe abgewartet werden.

        

Wie ist um die aktuelle Pflicht bestellt, SOKA-Beiträge zu zahlen?

 

Die aktuelle Allgemeinverbindlicherklärung ist wirksam. Allerdings haben wir auch gegen diese AVE ein Feststellungsverfahren eingeleitet. Bis November 2016 werden wir die Rechtsbeschwerde begründen. Dann ist das Bundesarbeitsgericht dazu berufen, über die Wirksamkeit auch dieser AVE zu entscheiden.

                         

Gelten dann wieder die gleichen rechtlichen Bedenken?

 

Die AVE 2015 wurde von der Bundesministerin verfügt. Ein Verstoß gegen das Demokratiegebot ist daher vorerst nicht zu erkennen

 

Auch hat sich die Rechtslage geändert. Denn im Tarifvertragsgesetz wurde der entscheidende § 5 neu gefasst und die 50-Prozent-Quote als Voraussetzung für eine AVE abgeschafft. Gleichwohl gibt es weitere Bedenken, die das Bundesarbeitsgericht in der Anhörung am 21. September hat erkennen lassen und die auch auf diese AVE übertragen werden können. Nach unserer Ansicht ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch diese AVE aufgehoben wird.

 

Läutet die Rechtsprechung des BAG das Ende der SOKA ein?

 

Der Gesetzgeber hat mit der jüngsten Ergänzung des § 5 TVG um einen neuen Absatz 1a die Möglichkeit der Einführung einer gemeinsamen Einrichtung wie der SOKA ausdrücklich vorgehen. Auch europarechtlich sind solche Einrichtungen erwünscht. Politisch ist derzeit keine Mehrheit für die Abschaffung des Sozialkassensystems in Deutschland erkennbar.

 

 

Allerdings zwingt die in § 98 ArbGG geschaffene Überprüfungsmöglichkeit dazu, dass die Tarifvertragsparteien zukünftig bei ihren Verhandlungen und das BMAS bei seinen Prüfungen sorgfältiger vorgehen und die Belange der Außenseiter stärker werden berücksichtigen müssen.

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