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An dieser Stelle berichte ich über aktuelle Entwicklungen in Rechtsprechung und Gesetzgebung soweit sie die SOKA-Bau und verwandte Themen betreffen. Des Weiteren gebe ich einen Einblick in meine Tätigkeit für betroffene Unternehmer und Unternehmen.

alle Jahre wieder

alle Jahre wieder

Das neue Jahr hat begonnen und damit die neue Klagewelle der Urlaubskasse des Baugewerbes (ULAK). Kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist für Beitragsforderungen aus dem Jahr 2020 hat die ULAK bei den Arbeitsgerichten in Berlin und Wiesbaden den Erlass von Mahnbescheiden beantragt, die in den nächsten Tagen zugestellt werden. Adressaten sind Unternehmen und Unternehmer, die nach Ansicht der ULAK Baubetriebe unterhalten. Das können auch Tischlereien oder Metallbetriebe sein. Auch Unternehmen, die Erdwärmepumpen oder Photovoltaikanlagen montieren bekommen jetzt Post von den Arbeitsgerichten. Baubetrieb ist aber nur der, in dem arbeitszeitlich überwiegend Bauleistungen erbracht werden und der nicht in einem Verband organisiert ist, für den die große Einschränkungsklausel der Allgemeinverbindlicherklärung des Verfahrenstarifvertrages gilt. Mit 20 Jahren Erfahrung prüfe ich die Voraussetzungen der Beitragspflicht. Auch wenn diese bestehen sollte ist nicht aller Tage Abend: Mit einer erfolgreichen Nachmeldung kann die Beitragsforderung um die gezahlte Urlaubsvergütung erheblich reduziert werden.

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Sieg vor dem BAG

Sieg vor dem Bundesarbeitsgericht

Zur Vorgeschichte: Meine Mandanten unterhalten ein tarifgebundenes Zeitarbeitsunternehmen, das arbeitszeitlich überwiegend Schweißer an Kraftwerkswartungsbetriebe verleiht. Das Arbeitsgericht Wiesbaden verurteilte die Mandanten zur Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in Höhe von 434.300,00 Euro.

Das Hessische Landesarbeitsgericht hob dieses Urteil auf meine Berufung hin auf und wies die Klage der Urlaubskasse des Baugewerbes u.a. mit der Begründung ab, dass Arbeiten an Industrieanlagen nicht dem Bauwerksbegriff des § 101 Abs.2 SGB III unterfallen. Als Zeitarbeitsunternehmen unterfällt die Mandantin nicht dem Verfahrenstarifvertrag des Sozialkassenverfahrens (VTV) sondern würde unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 AentG allenfalls dem Urlaubskassenverfahren unterfallen. Beiträge dafür würden 303.650,00 Euro der Klagesumme ausmachen. Da für Zeitarbeitsunternehmen eine Beitragspflicht nur besteht, wenn der Betrieb überwiegend Bauleistungen gemäß § 101 SGB III erbringt, kommt es auf die Baubetriebe-Verordnung an  (§ 109 SGB III). Der Bauwerksbegriff des VTV ist weiter gefasst als der des § 101 SGB III, beide Vorschriften erfassen jedoch den Rohrleitungsbau. Nach der funktionalen Betrachtungsweise des Bundesarbeitsgerichts kommt es bei der Definition des Bauwerks nicht allein darauf an, ob dieses aus Baustoffen oder Bauteilen mit baulichem Gerät hergestellt, sondern auch darauf, ob sich die Montageleistungen auf eine technische Anlage beziehen. Da die Schweißarbeiten im Wesentlichen an Tragrohrsystemen technischer Anlagen ausgeführt werden, die selbst keine Rohrleitungen im Sinne der Baubetriebe-Verordnung sind, unterfallen diese Tätigkeiten nicht dem § 101 SGB III. Tragrohrsysteme sind etwas anderes als Rohrleitungen. Da die Abgrenzung des Anwendungsbereiches des VTV bzw. von § 6 AentG und § 101 Abs. 2 SGB III gegenüber dem Anlagenbau nicht hinreichend geklärt sei hat das LAG die Revision zugelassen.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat der Revision mit Hinweis vom 07.09.2023 keine Erfolgsaussicht beigemessen. 

 

Die Revision ist unzulässig. Die Baubetriebe-Verordnung enthält keine Generalklausel wie der VTV in § 1 Abs.2 Abschnitt II VTV. Die Urlaubskasse hat diese Würdigung des LAG, die sich ausschließlich auf den Rohrleitungsbau bezieht und eine Abgrenzung zum Anlagenbau vornimmt, nicht angegriffen. Dankenswerterweise hat das Bundesarbeitsgericht jedoch ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Revision auch unbegründet wäre. Die Abgrenzung baulicher Tätigkeiten zum Bereich Anlagen- und/oder Industriemechanik bzw. des Metallbaus ist – so wie sie das Hessische LAG vornimmt - nicht zu beanstanden.

 

Die Urlaubskasse hat daraufhin die Revision zurückgenommen.

 

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im Zweifel gegen die Urlaubskasse

Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage der Urlaubskasse über Beitragsforderungen in Höhe von mehr als 106.000 Euro abgewiesen (- 15 Ca 80899/21 -) . In der Vorbereitung der Klageerwiderung hat der Mandant noch Abrissarbeiten im Umfang von ca. 40 % der Gesamtarbeitszeit eingeräumt und für die einzelnen Beitragsjahre nach Stundenanzahl beziffert. Das Gericht hielt diesen Einwand für erheblich und lud mehr als 40 Zeugen. Von denen die der Ladung folgten, bekundete lediglich ein Zeuge, gelegentlich mit Trennschleifer und Stemmhammer gearbeitet zu haben. Alle anderen Zeugen sagten aus, lediglich Aufräum- und Reinigungsarbeiten ausgeführt zu haben ("Ich habe nur Staub gewischt"). Wenig glaubhaft, meinte das Gericht. Aber selbst wenn jedoch Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen bestehen sollten, führt dies nicht dazu, dass das Beweisthema als bestätigt anzusehen ist.

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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Neues von der SOKA-BAU: Sind Tiny Houses Bauwerke?

Tiny House: Wohnwagen oder Container?

Unterfallen Betriebe, in denen mobile Tiny Houses hergestellt werden, dem Verfahrenstarifvertrag des Baugewerbes (VTV)? Diese Frage hat das Hess. Landesarbeitsgericht am 04.04.2023 verneint (12 Sa 577/22 SK), und damit ein anderslautendes Urteil des Arbeitsgerichtes Wiesbaden aufgehoben.

Die Urlaubskasse war der Meinung, im Betrieb der Beklagten würden arbeitszeitlich überwiegend genormte Baufertigteile montiert sowie Zimmerer- und Holzbauarbeiten mit Geräten, Materialien sowie Arbeitsmethoden des Baugewerbes sowie des Ausbaugewerbes ausgeführt. Auch bei der durch die Beklagten beschriebenen Verrichtung von Dämmarbeiten an Landfahrzeugen gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt IV Nr. 3 VTV handele es sich um die Ausführung baugewerblicher Tätigkeiten. Sobald die Tiny Houses aber auf ihren jeweiligen Standplätzen aufgestellt und angeschlossen seien, handele es sich bei ihnen um bauliche Anlagen und Gebäude im Sinne der Landesbauordnungen.

Die Beklagte hat mit dem Hinweis dagegen gehalten, dass die Dämmarbeiten lediglich 10 % der Gesamtarbeitszeit ausmachen. Tiny Houses würden als Wohnwagen vom TÜV abgenommen, würden also von den straßenverkehrsrechtlichen Regelungen erfasst und auch steuerlich wie Wohnwagen behandelt. Für die Maße der Tiny Houses in Bezug auf Höhe, Breite und Gewicht seien die Vorgaben der Straßenverkehrszulassungsordnung entscheidend. Auch müssten für die mobilen Tiny Houses Kfz Versicherungen abgeschlossen werden. Die für Tiny Houses geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen entsprächen europaweit denen für Wohnwagen.

Die von den Beklagten hergestellten Tiny Houses sind Landfahrzeuge im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt IV Nr. 3 VTV und keine Bauten bzw. Bauwerke, urteilte das Landesarbeitsgericht. Sie haben mehr Gemeinsamkeiten mit Wohnwagen als mit Wohncontainern. Lediglich § 1 Abs. 2 Abschn. IV VTV unterwirft Tätigkeiten dem betrieblichen Geltungsbereich, die nicht zwingend Leistungen an einem Bauwerk darstellen. Allen anderen Tätigkeiten des VTV sind an Bauten oder Bauwerke gekoppelt. Soweit hier von Interesse geht es lediglich um Dämmarbeiten, die nach tariflicher Definition auch an Land-, Luft- und Wasserfahrzeugen erbracht werden können. Daher werden von den im Betrieb ausgeführten Dämmarbeiten dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterworfen, die jedoch mit lediglich 10 % nicht arbeitszeitlich überwiegen.

Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, weil die Frage, ob die Herstellung mobiler Tiny Houses eine Beitragspflicht nach dem VTV auslöst, bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist.

 

Das BAG wird abzuwägen haben, ob sich an der Einschätzung etwas ändert, wenn die Genehmigungspflicht nach den Landesbauordnungen stärker in den Blick genommen wird, als das LAG dies getan hat.

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die Ausnahme, die keine ist

Beitragsfrei sind Betriebe des Herd- und Ofensetzerhandwerks, es sei denn, sie führten Feuerungs- und Ofenbauarbeiten aus

Vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV ausgenommen sind Betriebe des Herd- und Ofensetzerhandwerks, soweit nicht Arbeiten der in Abschnitt V aufgeführten Art ausgeführt werden. In Abschnitt V finden sich unter Nr. 14 Feuerungs- und Ofenbauarbeiten. Da bleibt doch nichts für die Ausnahme meint das Arbeitsgericht Wiesbaden. Das könnten die Tarifvertragsparteien unmöglich gewollt haben. Die Rückausnahme sei auf solche Betriebe zu beschränken, in denen zeitlich überwiegend andere als die in Nr. 14 genannten Bauleistungen erbracht würden (Urteil vom 26.04.2022 -12 Ca 587/18 SK).

Doch! Das meint nun das Berufungsgericht: "Um die Voraussetzungen der Ausnahme nach Abschnitt VII Nr. 5 VTV zu erfüllen, muss es sich um einen Betrieb des Herd- und Ofensetzer Handwerks handeln. Dies setzt u.a. voraus, dass zu mehr als der Hälfte der betrieblichen Arbeitszeit Tätigkeiten im Bereich des Ofenbaus ausgeführt werden. Werden aber arbeitszeitlich überwiegend entsprechende Tätigkeiten verrichtet, können nicht überwiegend Arbeiten der in Abschnitt IV oder V Nr. 1 bis 13 bzw. Nr. 15 bis 42 VTV aufgeführten Art ausgeführt werden." (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 2. Mai 2023 – 12 Sa 765/22 SK –, Rn. 54, juris).

Kann man das Verstehen? Vielleicht hilft ja das Bundesarbeitsgericht. Revision ist unter dem Aktenzeichen 10 AZR 162/23 eingelegt.

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die fingierte Betriebsabteilung

die fingierte Betriebsabteilung

Die Urlaubskasse setzt in den Rückzugsgefechten ihrer Prozesse vermehrt auf das Argument, dass in einem Mischbetrieb zumindest für die Mitarbeiter Beiträge abzuführen seien, die als selbständige Betriebsabteilung Bauleistungen ausführten. Und in der Tat liegt eine (beitragspflichtige) Gesamtheit von Mitarbeitern in diesem Sinne vor, wenn eine Gruppe von Arbeitnehmern - gegebenenfalls in wechselnden kleineren Einheiten - koordiniert und aufeinander abgestimmt außerhalb der stationären Betriebsstätte arbeitszeitlich überwiegend baugewerbliche Arbeiten ausführt (§ 1 Abs. 2 Abschnitt VI Unterabschnitt I Satz 3 VTV). 

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 12.10.2022 - 10 AZR 341/20 - nun weiter konkretisiert, was es darunter versteht. Das BAG hat ein Urteil des Hess. LAG aufgehoben und mit der Maßgabe zurückverwiesen, weiter aufzuklären, ob die als selbständige Betriebsabteilung zu qualifizierende Gesamtheit von Arbeitnehmern außerhalb der stationären Betriebsstätte ausschließlich mit baugewerblichen Arbeiten beschäftigt waren, insbesondere, ob es einen Austausch mit den anderen gewerblichen Arbeitnehmern gegeben hat. Gab es eine solche Gruppe von Arbeitnehmern, dürfte von deren koordiniertem Einsatz auszugehen sein.

Hinweis:

Mitunter ist es aber auch gerade die selbständige Betriebsabteilung, auf die die Beitragspflicht in Mischbetrieben begrenzt werden kann. Dies stellt einen wichtigen Beratungsansatz dar.

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Ganz oder gar nicht! Leiharbeitgeber haben Anspruch auf Erstattung

Erstattungsansprüche des Personaldienstleisters im Urlaubskassenverfahren

Wird ein Leiharbeitnehmer vom Entleiher, der keinen Baubetrieb unterhält, mit baulichen Tätigkeiten beschäftigt, nimmt der Verleiher in Bezug auf diesen Leiharbeitnehmer am Urlaubskassenverfahren teil. Der Verleiher ist dann verpflichtet, Sozialkassenbeiträge an die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft zu leisten, kann aber auch die Erstattung von an den Leiharbeitnehmer gezahltem Urlaubsentgelt verlangen.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 08.12.2021, - 10 AZR 101/20 -). Die dem Urteil zugrunde liegende Vorschrift des § 8 Abs. 3 AEntG scheint verfassungsrechtlich bedenklich, führt sie doch zu einer Ungleichbehandlung von Zeitarbeitnehmern, die identische Tätigkeiten ausüben wie die Stammbelegschaft. Das BAG sieht diese Ungleichbehandlung mit Hinweis auf das AÜG jedoch als gerechtfertigt an. Welche Auswirkungen dieses Urteil auf besondere Fragen, etwa nach den sog. "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" haben wird bleibt abzuwarten.

Wichtig jedoch ist, dass die Zeitarbeitsfirmen Erstattungsansprüche gegen die Urlaubskasse erwerben, die durchzusetzen sie nicht vergessen sollten.

 

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Urlaubskasse verliert Prozess

Urlaubskasse verliert Prozess

Jetzt wurde das vollständig begründete Urteil zugestellt. Ich bin gespannt, ob die Urlaubskasse wieder in Berufung geht!

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Klage abgewiesen

Klage der ULAK abgewiesen!

Mit dem neusten Urteil aus Wiesbaden habe ich meine positive Gesamtbilanz meiner Rechtsstreitigkeiten mit der Urlaubskasse des Baugewerbes ausgebaut. Nun muss der Mandant eine fast sechsstellige Rücklage in seinen Büchern auflösen!

 

Am Ende der Sitzung wurde nach geheimer Beratung und Wiederaufruf des Rechtsstreits in Abwesenheit der Parteien bzw. Partei-Vertreter und ohne Hinzuziehung der Protokollführerin

 

Im Namen des Volkes!

 

folgendes

 

Urteil

 

verkündet:

 

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

 

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 99.990,00 Euro festgesetzt.

 

Die Berufung wird nicht zugelassen.

 

Die Statthaftigkeit der Berufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes bleibt hiervon unberührt.

 

gez. Wenz Richterin am Arbeitsgericht

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Verfallfrist verkürzt

Verfallfrist für Beiträge ist verkürzt

Die Urlaubskasse versendet derzeit wieder Fragebögen zur Ermittlung von Beitragsansprüchen. Dazu verlangt die Kasse Angaben zu den Bruttolöhnen bis zu zehn Jahren rückwirkend. Ich verweise dazu auf die Entscheidung des BAG vom 12.10.2022 - 10 AZR 341/20 - in der es heißt:

 

"Wie § 21 Abs. 1 VTV 2018 bestimmt, sollte im Zuge der Ablösung die bislang geltende vierjährige Verfallfrist auch für Ansprüche der Kasse auf Grundlage der früheren VTV auf drei Jahre verkürzt werden. Die Neuregelung ordnet nach ihrem Wortlaut die Geltung der dreijährigen Verfallfrist nach Satz 1 allgemein an. Ausgenommen hiervon waren nach Satz 2 nur Ansprüche, die bis zum Ablauf des Jahres 2014 fällig geworden sind. Für diese soll weiterhin eine vierjährige Verfallfrist gelten. Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Inkrafttreten des VTV 2018 zum 1. Januar 2019 die Verfallfrist für solche Ansprüche, die nach dem Ablauf des Jahres 2014 fällig geworden sind, auf drei Jahre verkürzt."

 

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Erfolg in der Berufung

Erfolg in der Berufung

Lieber Mandant,

vielen Dank für Ihr Vertrauen! Ich weiß, es war nicht leicht zu glauben, dass wir doch noch gewinnen werden. Gegen das Urteil, dass Sie zur Zahlung von mehr als 430 Tausend Euro verpflichtete, hatten wir nur die blanken Argumente des logischen Verstandes und die Hoffnung auf die Weisheit des Landesarbeitsgerichts. Ihre Furcht war mein Ansporn! Ich bin glücklich und erleichtert Sie nun glücklich und erleichtert zu sehen.

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Das Handwerk und die Bautarifverträge

Das Handwerk und die Bautarifverträge

 

Mindestlohn im Handwerk: Alles so einfach?

 

Der gesetzliche Mindestlohn beträgt seit dem 01.01.2022 nun 9,82 Euro und steigt zum 1.07.2022 auf 10,45 Euro. Die Bundesregierung plant eine weitere Erhöhung zum 1.10.2022 auf 12,00 Euro und verspricht, dass es dann bis zum 01.01.2024 keine weitere Erhöhung geben soll. Ebenso soll nach dem Willen der Regierung die Mindestlohndokumentationspflicht verschärft werden. Danach entfällt die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeiten in den in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Branchen (z.Bsp. Bau, Hotel und Gaststätten, Logistik, Spedition) erst dann, wenn der Arbeitnehmer mehr als 4.176,00 Euro (bisher 2.958,00 Euro) im Monat verdient oder jeweils mehr als 2.784,00 Euro (bisher 2.000,00 Euro) in den letzten 12 Monaten verdient hat.

 

Aber darum soll es in diesem Artikel nicht gehen.

 

Denn neben dem gesetzlichen Mindestlohn gibt es tarifliche Mindestlöhne, die in bestimmten Branchen ebenso verpflichtend zu zahlen sind. Dies gilt keineswegs nur für tarifgebundene Unternehmen. Über Mindestlohnverordnungen oder Allgemeinverbindlicherklärungen werden bestimmte Mindestlohntarifverträge in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich auch auf Betriebe erstreckt, die nicht als Mitglied im jeweiligen Arbeitgeberverband tarifunterworfen sind. Für den Bereich des Handwerks wichtig sind die Bauarbeitsbedingungenverordnung (BauArbbV) sowie die Verordnungen über zwingende Arbeitsbedingungen im Dachdeckerhandwerk, in der Fleischwirtschaft, im Friseurhandwerk, in der Gebäudereinigung, im Gerüstbauerhandwerk, im Maler- und Lackiererhandwerk und für Wäschereidienstleistungen. Die Aufzählung ist keineswegs abschließend. Es würde jedoch den Rahmen dieses Beitrags sprengen, müssten alle diese Verordnungen hier dargestellt werden. Wegen der besonderen Brisanz wird hier lediglich die Baubranche betrachtet, die naturgemäß eine ganz besondere Nähe zum Handwerk aufweist.

 

Der Baulohn ist höher als der gesetzliche Mindestlohn

 

Derzeit gilt für alle Baubetriebe die 12. BauArbbV. Diese Verordnung ist zwar zum 31.12.2021 außer Kraft getreten gilt aber für alle Arbeitsverhältnisse in der Baubranche fort.  Der Gesamttariflohn in der Lohngruppe 1 beträgt danach einheitlich 12,55 Euro pro Stunde. Nach wie vor ist der Tariflohn der Lohngruppe 2 nur in den alten Bundesländern und Berlin allgemeinverbindlich, wo er 15,40 Euro beträgt. Doch Vorsicht: Maßgeblich für die räumliche Geltung ist nicht der Sitz des Unternehmens, sondern der Ort der Arbeitsstelle, wobei jedoch weiterhin der Mindestlohn des Einstellungsortes gilt, sofern dieser höher ist.

 

Unterliegen Handwerksbetriebe den Bautarifverträgen?

 

Dies ist in vielen Prozessen etwa der Urlaubskasse die entscheidende Vorfrage. Mit ca. 60.000 angestrengten Verfahren im Jahr dürfte die Urlaubskasse Spitzenreiter im Klagen sein. Denn diese Klage machen ca. ein Sechstel aller Verfahren vor deutschen Arbeitsgerichten aus.

 

Wann ist ein Handwerksbetrieb ein Baubetrieb?

 

Diese Frage ist vor allem bei Mischbetrieben nicht einfach zu beantworten. Die Beurteilung erfolgt anhand der Überprüfung der arbeitszeitlich überwiegend (mehr als 50 Prozent) ausgeübten Tätigkeit, bezogen auf die Gesamtjahresarbeitszeit. Überwiegen die Bautätigkeiten gilt für den ganzen Betrieb die Pflicht zur Zahlung des Baumindestlohns.

 

Was sind Bautätigkeiten?

 

In den Bautarifverträgen werden beispielhaft 45 Gewerke (von Abdichtungs- bis Zimmererarbeiten) aufgeführt, die dem Baugewerbe zugerechnet werden (so z.B. in § 1 Abs. 2 Abschnitt V des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe „BRTV“).

 

Und was gilt für Betriebe, deren Gewerk nicht ausdrücklich genannt ist?

 

Dann greift die „Auffangnorm“ des Abschnitts I: Das sind „Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich Bauten aller Art erstellen“ und soweit diese nicht direkt von Abschnitt I erfasst werden: „Betriebe, die nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen“ oder „nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung - mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen - gewerblich sonstige bauliche Leistungen erbringen“ (Abschnitte II und III).

 

Danach sind alle Handwerksbetriebe auch Baubetriebe?

 

Nicht ganz!. Denn die Bautarifverträge sehen Ausnahmen vor. So werden Betriebe des Betonwaren und Terrazzowaren herstellenden Gewerbes, des Dachdeckerhandwerks, des Gerüstbaugewerbes, des Glaserhandwerks, des Herd- und Ofensetzerhandwerks, des Maler- und Lackiererhandwerks, der Naturstein- und Naturwerksteinindustrie, der Nassbaggerei, des Parkettlegerhandwerks, der Säurebauindustrie, des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und –verarbeitenden Industrie, des Klempnerhandwerks, des Gas- und Wasserinstallationsgewerbes, des Elektroinstallationsgewerbes, des Zentralheizungsbauer- und Lüftungsbauergewerbes sowie des Klimaanlagenbaues und des Steinmetzhandwerks nicht erfasst.

 

Was ist mit Mischbetrieben, die neben Bauleistungen auch verschiedene Leistungen der vorgenannten Ausnahmen erbringen?

 

Wenn zum Beispiel in einem Betrieb zu 10% Trockenbauarbeiten erbracht werden, zu 45% Malerleistungen und zu 45% Schreinerarbeiten liegt ein Baubetrieb vor! Denn die Ausnahme greift nur, wenn die dort benannte Tätigkeit allein mehr als 50 % der Arbeitszeit ausfüllt. Die Rechtsprechung untersagt das Zusammenrechnen mehrerer Ausnahmetatbestände. Nicht wenige Experten der Branche halten diese Praxis für verfassungswidrig (Prof. Grzeszick: Verfassungswidrigkeit des Baubegriffs der Sozialkassen im Baugewerbe, NZA 2021, 757).

 

Was ist mit den Hilfsarbeiten?

 

Oft werden von den Betrieben nicht nur reine Bauleistungen erbracht. Schließlich muss der Betrieb oft erst Baufreiheit schaffen (Hausmeistertätigkeit) das Material zu Baustelle fahren (Spedition) die Maschinen und Geräte warten (Mechatronik) und am Ende die Baustelle aufräumen (Reinigung).

 

Sofern diese Tätigkeiten als Vor-, Neben-, Nach- und Hilfsarbeiten den eigenen baulichen Haupttätigkeiten dienen, zu ihrer sachgerechten Ausführung notwendig sind und nach der Verkehrssitte üblicherweise von den Betrieben des Baugewerbes miterledigt werden, gelten sie als sog. Zusammenhangstätigkeiten und werden den Bautätigkeiten zugerechnet. Ein Zusammenrechnen mit der baulichen Haupttätigkeit kommt jedoch nur bei solchen Tätigkeiten in Betracht, die unmittelbar zur Ausführung der jeweiligen Bautätigkeit erforderlich sind, dieser üblicherweise von ihrer Wertigkeit her untergeordnet sind und deshalb regelmäßig auch von ungelernten Hilfskräften ausgeführt werden können.

 

Was ist mit Arbeitszeiten, die sowohl als Bautätigkeiten als auch als Arbeiten der ausgenommenen Gewerke angesehen werden können?

 

Führen Arbeitnehmer Tätigkeiten aus, die sowohl baulicher Natur als auch einem der oben ausgenommenen Gewerke zuzuordnen sind, kommt es darauf an, welches Gepräge diese "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" dem Betrieb geben. Entscheidend ist in erster Linie der Charakter der überwiegend ausgeführten Tätigkeiten. Die Abgrenzung richtet sich insbesondere danach, ob die "Sowohl-als-auch-Tätigkeiten" von Fachleuten des ausgenommenen Gewerks angeleitet und verrichtet werden. Werden sie von Fachleuten eines Baugewerbes oder von ungelernten Arbeitskräften durchgeführt, wird von der Rechtsprechung regelmäßig eine Ausnahme vom Geltungsbereich der Bautarifverträge abgelehnt.

 

Werden etwa in einem Betrieb Bodenbeschichtungsarbeiten nicht von Fachleuten des Malerhandwerks ausgeführt, sondern von ungelernten Arbeitskräften liegt ein Baubetrieb vor. Einzelnen Gerichten erscheint diese Zuordnung zu den Betrieben des Baugewerbes nicht mehr zweifelsfrei zu sein. Sie fordern eine wertende Entscheidung anhand aller Umstände des Einzelfalls, ob die Zuordnung zu dem Handwerksbereich gerechtfertigt ist (Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 24.01.2020 (10 Sa 71/19 SK).

 

Im Bereich des Handwerks gibt es nicht wenige Innungen, denen das Aufblähen des betrieblichen Geltungsbereichs der Bautarifverträge ein Dorn im Auge ist. Seit einiger Zeit verhandeln die verschiedenen Interessenvertreter Einschränkungen bei der Erstreckung der Bautarifverträge auf Betriebe, die nicht im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes oder dem Hauptverband der Deutschen Bauindustrie organisiert sind. Die 12. BauArbbV sieht daher in § 2 Anwendungsausnahmen vor:

 

 

 

Die Mindestlohnverordnung erstreckt sich nicht auf Betriebe, die unter einen der fachlichen Geltungsbereiche der am 1. Januar 2003 geltenden Mantel- oder Rahmentarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie, der Sägeindustrie und übrigen Holzbearbeitung, der Steine- und Erden-Industrie, der Mörtelindustrie, der Transportbetonindustrie, der chemischen oder kunststoffverarbeitenden Industrie oder der Metall- und Elektroindustrie fallen und die unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Hauptverbandes der Holz und Kunststoffe verarbeitenden Industrie und verwandter Industriezweige, der Vereinigung Deutscher Sägewerksverbände e. V., der Sozialpolitischen Arbeitsgemeinschaft Steine und Erden, des Bundesverbandes der Deutschen Mörtelindustrie e. V., des Bundesverbandes der Deutschen Transportbetonindustrie e. V., des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie e. V., der Verbände der kunststoffverarbeitenden Industrie oder eines in der Anlage 3 genannten Arbeitgeberverbandes im Gesamtverband der Arbeitgeberverbände der Metall- und Elektro-Industrie e. V. (Gesamtmetall) oder eines ihrer Mitgliedsverbände sind.

 

 

 

Die Mindestlohnverordnung erstreckt sich auch nicht auf Betriebe, die von einem der Rahmentarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk oder deren Allgemeinverbindlicherklärung erfasst werden, die ganz oder teilweise Bauwerke, Bauwerksteile oder einzelne Elemente aus Mauerwerk, Beton, Stahlbeton, Eisen, Stahl oder sonstigen Baustoffen, technische Anlagen abbrechen, demontieren, sprengen, Beton schneiden, sägen, bohren, pressen, soweit sie unmittelbar oder mittelbar tarifgebundenes Mitglied im Deutschen Abbruchverband e. V., im Fachverband Betonbohren und -sägen Deutschland e. V. oder im Abbruchverband Nord e. V. sind; die unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Bundesverbands Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V. sind, vom Bundesrahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau erfasst werden, die als tarifgebundenes Lohnunternehmen in der Land- und Forstwirtschaft überwiegend landwirtschaftliche Flächen drainieren, die unmittelbar oder mittelbar tarifgebundenes Mitglied des Bundesverbands Holz und Kunststoff, des Bundesverbands Metall - Vereinigung Deutscher Metallhandwerke, des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima oder des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke sind.

 

 

 

In einigen Branchen reicht die Mitgliedschaft in den genannten Verbänden allein nicht aus. So kann es auf die konkret ausgeübten Tätigkeiten ankommen, sofern die Mitgliedschaft erst nach dem 30.06.2014 erworben wurde

 

 

 

Fazit

 

 

 

Der gesetzliche Mindestlohn ist nicht in jedem Fall die einzige gesetzliche Lohngröße, die es zu beachten gilt. Auch tarifliche Löhne können für Arbeitsverhältnisse im Handwerk maßgeblich sein, deren Unterschreitung in gleicher Weise mit Bußgeldern geahndet werden kann. Wie der Artikel zeigt ist oft der Rechtsrat eines Experten erforderlich.

 

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Waldemar Reinfelder neuer Vorsitzender Richter am 10. Senat des BAG!

Waldemar Reinfelder neuer Vorsitzender Richter am 10. Senat desBAG

 

Von 2010 bis Oktober 2018 - zuletzt als stellvertretender Vorsitzender - gehörte Herr Reinfelder dem Zehnten Senat des BAG an. In dieser Funktion war er u.a. Berichterstatter in den Beschlussverfahren, die zur Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen der Sozialkassentarifverträge führten. Im November 2018 wechselte er in den Vierten Senat. Herr Reinfelder übernimmt den Vorsitz des Zehnten Senats. Der Zehnte Senat ist im Wesentlichen zuständig für Sondervergütungen, Zulagen und die Sozialkassen der Bauwirtschaft. Wilkommen zurück!

 

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obsiegt gegen die Soka-Bau!

obsiegt gegen die Soka-Bau!

Die Soka-Bau verlangte von meiner Mandantin mehr als 240.000 Euro Beiträge. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtete sich die Berufung der Soka-Bau mit der Behauptung, die Mandantin würde arbeitszeitlich überwiegend Bauleistungen erbringen. Meine Mandantin verteidigte sich wiederholt mit dem Argument, dass ihre in der Zahl deutlich überwiegenden Angestellten mehrheitlich baufremde Verwaltungs - und Verkaufstätigkeiten ausübten. Das Hessische LAG hat in der mündlichen Verhandlung auf die Entscheidung des BAG vom 14.07.2021 verwiesen, in der das BAG die Tätigkeit der Angestellten eines Baubetriebes neu bewertet hat. Die Soka-Bau hat diesen Hinweis ignoriert: Das LAG hat die Berufung folgerichtig zurückgewiesen.

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Sind Bauträger Baubetriebe?

Sind Bauträger Baubetriebe?

 

Mit seiner Entscheidung vom 14.07.2021 - 10 AZR 190/20 - hat der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts klargestellt, dass ein Betrieb nur dann dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes unterfällt, wenn in ihm überwiegend die in § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge genannten Leistungen erbracht werden. Um dies zu beurteilen, kommt es grundsätzlich auf die arbeitszeitlich überwiegend versehene Tätigkeit der Arbeitnehmer an. Dafür ist sowohl die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer als auch die der Angestellten zu berücksichtigen. Dabei werden Betriebe, in dem die Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend Grundstücke entwickeln, beplanen, durch Subunternehmen bebauen lassen, vermarkten und veräußern, als Bauträgerbetriebe nicht von den Verfahrenstarifverträgen der Bauwirtschaft erfasst.

 

Das Bundesarbeitsgericht weist jedoch darauf hin, dass die von Angestellten versehene Tätigkeiten, die isoliert betrachtet nicht als baugewerblich einzuordnen sind, baugewerblichen Charakter haben können, wenn sie im Zusammenhang mit baugewerblichen Tätigkeiten erbracht werden. Bei den regelmäßig von Angestellten versehenen Tätigkeiten kann es sich dann um Tätigkeiten mit baulichem Charakter handeln, wenn sie in einem Betrieb im Zusammenhang mit baugewerblichen Tätigkeiten ausgeführt werden.

 

Der Fall:

 

Das beklagte Unternehmen beschaffte im Streitzeitraum Grundstücke, entwickelte und steuerte Projekte, plante die Projektentwicklung und die Baubetreuung. Darüber hinaus versah sie Vertriebs-, Mietverwaltungs- und Buchhaltungsaufgaben sowie Hausreinigungs- und Gartenpflegearbeiten.

 

Auf den Baustellen vor Ort waren regelmäßig zwei gewerbliche Arbeitnehmer tätig. Zum einen kontrollierten sie die Bauarbeiten und beschafften Material, zum anderen fuhren sie zumindest auch einen Kran auf den Baustellen. Ihre Tätigkeit machte im streitigen Zeitraum 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit aus.

 

Daneben waren neun Angestellte in Voll- und Teilzeit mit unterschiedlichen Tätigkeiten beschäftigt. Sie assistierten der Geschäftsführung und erledigten Buchhaltungs- sowie Verwaltungsarbeiten, darunter die Mietverwaltung. Sie planten Veranstaltungen, führten Musterhausbesichtigungen durch und übernahmen den Vertrieb von Immobilien. Teilweise überwachten sie Baustellen, führten Ausschreibungen durch, prüften Eingangsrechnungen, waren Ansprechpartner für Kunden und erstellten Planungs- sowie Ausführungspläne.

 

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Klage der Urlaubskasse abgewiesen. Auch nach Feststellung des Hessischen Landesarbeitsgerichts sei der Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages für den Gesamtbetrieb nicht eröffnet. Es handle sich um einen Bauträgerbetrieb, für den die Tätigkeit der Angestellten mit einem Anteil von 80 % an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit prägend sei. Im Vordergrund stehe der Verkauf des Grundstücks zusammen mit dem schlüsselfertigen Bauobjekt. Die eigentlichen Bauarbeiten lasse der Bauträger grundsätzlich durch Subunternehmen erledigen. Damit unterscheide sich der Betriebszweck von dem eines reinen Baubetriebs oder auch von Bauherren, die für den Eigenbedarf bauten. Soweit die Angestellten zum Teil auch bauliche Zusammenhangsarbeiten versehen hätten, führten diese Arbeiten nicht dazu, dass der gesamte Betrieb als baugewerblich einzuordnen sei. Eine Beitragspflicht bestehe jedoch für die beiden gewerblichen Arbeitnehmer, die eine selbständige Betriebsabteilung bildeten.

 

Die Entscheidung:

 

Die der Urlaubskasse zugelassene Revision sei nach Ansicht des BAG begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung könne die auf Beiträge für Angestellte gerichtete Klage nicht abgewiesen werden. Mit Blick darauf, dass die Verfahrenstarifverträge auch Angestellte erfassten, sei auch deren Tätigkeit erheblich und könne nicht „als neutral“ gewertet werden. Die Beklagte könne auch für die Angestellten der Beitragspflicht nach den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes unterliegen, wenn die als Bauträgertätigkeit dargestellten Arbeiten Zusammenhangsarbeiten zu baulichen Hauptleistungen seien. Die Tätigkeiten der Angestellten seien daher dahin zu überprüfen, ob sie Teil der Bauträgertätigkeiten seien und/oder mit den baugewerblichen Arbeiten zusammenhingen. Es obliege dem in Anspruch genommenen Arbeitgeber, entsprechende Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergäbe, in welchem Umfang welche Tätigkeiten ausgeübt würden und welchem Zweck sie dienten.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Hessischen LAG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Hinweis:

 

Für ein erfolgreiches Bestreiten der Forderungen der Urlaubskasse wird es mehr noch als in der Vergangenheit darauf ankommen, auch die Tätigkeiten der Angestellten konkret darzulegen.

 

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VTV verfassungswidrig?

VTV verfassungswidrig?

 

Zum kommenden Jahreswechsel wird die ULAK wieder besondere Geschenke versenden. Viele Unternehmen bekommen Mahnbescheide der Arbeitsgerichte Berlin oder Wiesbaden zugestellt. Viele Unternehmen werden sich wundern, halten sie sich doch nicht für einen Baubetrieb. Es werden Mischbetriebe darunter sein, die Maler beschäftigen, Installateure oder andere Mitarbeiter des so genannten Ausbaugewerbes. Für sie alle gilt doch der Ausnahmekatalog des Verfahrenstarifvertrages über das Sozialkassenverfahren des Baugewerbes (VTV), oder?

 

Grundsätzlich sind nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts alle Tätigkeiten, die der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, Bauleistungen.

 

Dieser sehr weiten Auslegung steht eine sehr enge Handhabung des Ausnahmekatalogs entgegen. Aus Sicht des Bundesarbeitsgericht setzt die Anwendung des Ausnahmekatalogs voraus, dass arbeitszeitlich zu mehr als der Hälfte der Gesamtarbeitszeit Tätigkeiten ausgeübt werden, die einem der Tatbestände des Ausnahmekatalogs zuzuordnen sind. Verschiedene Ausnahmetatbestände sind nach Ansicht des BAG dabei aber nicht zusammenzurechnen! Beschäftigt ein Arbeitgeber neben vier Malern drei Maurer muss er keine Beiträge zur Sozialkasse entrichten. Stellt er aber noch zwei Elektriker ein unterhält er plötzlich einen Baubetrieb!

 

Das Zusammenspiel des weiten Baubegriffs mit den eng verstandenen Ausnahmetatbeständen führt in vielen Fällen dazu, dass nicht baugewerbliche Handwerker zu einem großen Teil vom VTV miteingeschlossen werden. Da nach Ansicht des BAG verschiedenen Ausnahmetatbeständen zuzuordnende Tätigkeiten nicht zusammenzurechnen sind, sondern getrennt behandelt werden müssen, ist dies auch dann der Fall, wenn zwar der ganz überwiegende Teil der Arbeitszeit Tatbeständen des Ausnahmekatalogs zuzuordnen ist, dabei aber nicht mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit auf einen der einzelnen Ausnahmetatbestände entfällt.

 

Durch die dargestellte Auslegung des VTV werden erheblich unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt ist. Das fehlerhaft enge Verständnis der Ausnahmeregelung führt dazu, dass der betriebliche Anwendungsbereich der tarifvertraglichen Regelungen auf Bereiche erstreckt wird, in denen die nötige Rechtfertigung gegenüber Tarifaußenseitern nicht gegeben ist. Die damit verbundenen Eingriffe in die Freiheitsgrundrechte der Tarifaußenseiter sind verfassungswidrig. (so auch Prof. Bern Grzeszick NZA 2021, 757ff).

 

Um eine verfassungskonforme Anwendung des VTV auf Außenseiter zu gewährleisten wird es darauf ankommen, die Gerichte zu überzeugen, dass die auf verschiedene Ausnahmetatbestände entfallenden Arbeitszeiten zumindest in den beschriebenen Konstellationen zusammengerechnet werden.

 

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Spanndecken anbringen ist Bauleistung

das Anbringen von Spanndecken ist eine Bauleistung

Auch eine Tätigkeit, die zu dem Berufsbild eines Raumausstatters gehört, kann baugewerblicher Natur sein. Dies entschied der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts am 15.07.2020 ( - 10 AZR 337/18 -)

 

Der Fall:

 

Die Tätigkeit der Beklagten besteht darin, Spanndecken in Räumen anzubringen. Dabei handelt es sich um dünne Kunststofffolien, die an ihren Rändern umlaufende Gummilippen aufweisen. Die Folien werden vom Hersteller mit Gummilippen nach den vorher mitgeteilten Maßen versehen. Die Gummilippen werden in ein Aluminiumprofil eingedrückt. Dieses Aluminiumprofil befindet sich an einer Unterkonstruktion, die an den Wänden oder der Decke von einem anderen Unternehmen angebracht wurde. Die Spanndecken werden unter Einsatz eines Spachtels oder eines vergleichbaren Werkzeugs und teilweise von Heißluftgeräten angebracht.

 

Das Arbeitsgericht hat der Beitragsforderung der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse stattgegeben, das Landesarbeitsgericht diese Entscheidung aufgehoben, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen.

 

Die Entscheidung:

 

Bei den von der Beklagten ausgeführten Tätigkeiten handele es sich nach Ansicht des BAG um Montagebau iSd. Tarifnorm. Montage in diesem Sinne sei das Zusammensetzen oder der Zusammenbau einzelner vorgefertigter, industriell hergestellter, nicht mehr wesentlich zu verändernder Fertigteile. Ein Fertigteil sei industriell hergestellt, wenn es nicht handwerklich gefertigt würde. Die handwerkliche Fertigung zeichne sich gegenüber der industriellen dadurch aus, dass die Produktion von dem Können sowie den Fertigkeiten einer nicht unerheblichen Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer und nicht von dem Einsatz der solche Arbeitnehmer ersetzenden Maschinen abhinge. Für eine handwerkliche Herstellung spräche es daher, wenn überwiegend fachlich qualifizierte, handwerklich ausgebildete Arbeitskräfte tätig würden. Dies sei hier nicht der Fall.

 

Die Tätigkeit müsse sich jedoch auf ein Bauwerk beziehen. Bauliche Leistungen umfassten alle Arbeiten, die irgendwie - wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet - der Errichtung und Vollendung von Bauwerken oder auch der Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zu dienen bestimmt seien.

 

Zur Erstellung des Bauwerks gehöre nicht nur die Fertigstellung des Rohbaus, sondern auch der vollständige Ausbau, wie er vom Bauherrn in Auftrag gegeben worden sei. Der Zweck eines Bauwerks werde durch die Wünsche des Auftraggebers bestimmt und sei erst erreicht, wenn die von ihm gewünschten Teile am Bauwerk angebracht sei. Auch die Herstellung einer neuen Decke diene dazu, ein Bauwerk zu vollenden oder es zu verändern. Dabei komme es nicht darauf an, dass bereits eine Decke vorhanden sei. Entscheidend sei, dass der Bauherr das Gebäude verändern wolle, um eine neue Decke zu erstellen.

 

Das Bundesarbeitsgericht hat das Verfahren zur Ermittlung der konkreten Beitragshöhe an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

 

Hinweis:

 

Mit seiner weiten Interpretation der Zweckbestimmung baulicher Leistungen nach den Auftraggeber-Wünschen erweitert das Bundesarbeitsgericht den betrieblichen Geltungsbereich des Sozialkassentarifvertrages erheblich auf den Bereich des Ausbaugewerbes. Tätigkeiten, die klassisch der Raumausstattung zugerechnet werden dürften zukünftig noch häufiger als Bauleistungen soka-pflichtig werden.

 

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weitere Klage der ULAK abgewiesen!

weitere Klage der ULAK abgewiesen!

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Urlaubskasse verliert erneut

Urlaubskasse verliert erneut

Die fünfte Klage in Folge abgewehrt!

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Urlaubskasse verliert Prozess

ULAK verliert Prozess

Auf ganz herkömmliche Weise konnte ich das Gericht davon überzeugen, dass der Mischbetrieb unseres Mandanten arbeitszeitlich überwiegend andere als Bauleistungen erbringt. Der Aufwand dafür allerdings ist enorm und wird von vielen Kollegen, die nur gelegentlich Verfahren gegen die Urlaubskassen des Baugewerbes führen sträflich unterschätzt!

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SOKA-BAU: Urlaubskasse und IG BAU unterliegen vor dem Bundesverfassungsgericht

SOKA-BAU: Urlaubskasse und IG BAU unterliegen vor dem Bundesverfassungsgericht

Mit Beschluss vom 10.01.2020 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Koalitionsfreiheit der Beschwerdeführenden nicht dadurch verletzt wird, dass das Bundesarbeitsgericht die Allgemeinverbindlicherklärungen der Tarifverträge über die Sozialkassen der Jahre 2008 und 2010 für unwirksam erklärt hat.

Aus Art. 9 Abs. 3 GG folge für die Beschwerdeführenden kein Anspruch auf Allgemeinverbindlicherklärung des VTV. Zwar schütze die Koalitionsfreiheit das Recht der Tarifparteien, auch Tarifverträge zu schließen, die von vornherein darauf zielten, auch Nichtmitglieder zu verpflichten. Daraus folge aber kein Anspruch darauf, dass diese auch für allgemeinverbindlich erklärt werden müssten. Vielmehr dürfe der Staat seine Normsetzungsbefugnis nicht beliebig außerstaatlichen Stellen überlassen und die Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt von Akteuren ausliefern, die ihnen gegenüber nicht demokratisch oder mitgliedschaftlich legitimiert seien.

Ein Anspruch darauf, dass ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werde, folge auch nicht aus der Pflicht des Gesetzgebers, zu ermöglichen, dass von der Koalitionsfreiheit tatsächlich Gebrauch gemacht werden könne. Art. 9 Abs. 3 GG enthalte insofern kein Gebot, jeder Zielsetzung, die Koalitionen verfolgen, zum praktischen Erfolg zu verhelfen. Das Grundrecht garantiere den Koalitionen vielmehr die tatsächlich realisierbare Chance, durch ihre Tätigkeit die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern. Soweit diese Chance nicht gegeben sei, könne Abhilfe verlangt werden; ein solcher Fall sei hier aber nicht erkennbar. Die Anforderungen, die das BAG an die Allgemeinverbindlicherklärungen gestellt habe, lassen die Anstrengungen der Koalitionen, ihre Ziele zu erreichen, nicht leerlaufen. Auch beeinträchtige es die Chancen der Koalitionen nicht, wenn gefordert werde, dass im zuständigen Ministerium konkret personell Verantwortung übernommen werden müsse. Die weitere Anforderung einer 50%-Quote gebundener Beschäftigter schränke zwar die Möglichkeiten der Koalitionen ein, ihre Tarifverträge auf Außenseiter zu erstrecken. Doch entfalle damit nicht jede Möglichkeit, die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG in Anspruch zu nehmen.

Aus denselben Gründen hat das BVerfG auch die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführenden gegen weitere Entscheidungen des BAGs nicht zur Entscheidung angenommen, mit denen die Allgemeinverbindlicherklärungen des VTV der Jahre 2012, 2013 und 2014 für unwirksam erklärt worden waren (1 BvR 593/17, 1 BvR 1104/17 und 1 BvR 1459/17).

Hinweis:

Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung weiter ausgeführt, dass das Bundesverfassungsgericht  mit seinem Hinweis in BVerfGE 44, 322 <348>, der Staat “unterwerfe“ sich dem Willen der Tarifparteien im Rahmen einer Allgemeinverbindlicherklärung, in dem damaligen Verfahren zur Normenkontrolle des § 5 TVG lediglich das seinerzeit maßgebliche einfache Recht beschrieben habe. Es sei damals aber ausdrücklich offen geblieben, „[o]b gerade die heute geltende Regelung verfassungsrechtlich geboten ist oder ob auch andere Lösungen mit stärkerem staatlichen Einfluss vor Art. 9 Abs. 3 GG noch Bestand haben könnten“, (BVerfGE 44, 322 <346>, mittlerer Absatz). Jedenfalls sei die staatliche Mitwirkung für die Bindung von Außenseitern an einen Tarifvertrag zwingend, und daher auch zu prüfen, ob die strengen Bedingungen dafür erfüllt seien (a.a.O., <348>). Der Gesetzgeber habe die Allgemeinverbindlicherklärung in § 5 TVG dementsprechend als Ermessensentscheidung gefasst, die im öffentlichen Interesse auch rückgängig gemacht werden könne. Damit ist eine Allgemeinverbindlicherklärung verfassungsrechtlich nur zu rechtfertigen, wenn der die Außenseiter bindende Geltungsbefehl dem Staat vorbehalten bleibe (vgl. BVerfGE 44, 322 <347 f.>; dazu auch BVerfGE 55, 7 <23 f.>). Dem Staat verbleibt also eine Entscheidungsmacht, die zwar keine Einmischung in der Sache legitimiere, aber einen Vorbehalt des öffentlichen Interesses beinhalte. Damit ist der Staat nicht verpflichtet, den Geltungsbereich von Tarifverträgen durch eine Allgemeinverbindlicherklärung auszuweiten.

Wann das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerden gegen das zur Rettung der Allgemeinverbindlicherklärungen in Kraft gesetzte Soka-SiG entscheiden wird, ist derzeit noch offen.

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AVE 2016 Verfassungsbeschwerde

AVE 2016 Verfassungsbeschwerde

Es scheint ruhig geworden zu sein um die Allgemeinverbindlichkeit des Verfahrenstarifvertrages über das Sozialkassenverfahren. Derweil wurde meine Verfassungsbeschwerde in das Verfahrensregister eingetragen und wird der zuständigen Richterkammer vorgelegt ...

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BRTV europarechtswidrig?

Der EuGH hat mit Urteil vom 13.12.2018 in der Rechtssache C 385/17 (Hein) festgestellt, dass Arbeitgeber zukünftig nicht auf den Fortbestand der nationalen höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen dürfen, die die Rechtmäßigkeit der Regelungen des BRTV-Bau über den bezahlten Urlaub bestätigt hat.

 

Das Problem:

 

In Zeiten angeordneter Kurzarbeit wird die Arbeit verkürzt und das Arbeitsentgelt verringert. Prinzipiell darf der Arbeitnehmer auch in dieser Zeit Urlaub nehmen, wobei der Arbeitgeber das Urlaubsentgelt jedoch in der üblichen Höhe gewähren muss (§ 11 abs. 1 Satz 2 BurlG: „Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht.“). Allerdings enthält das Bundesurlaubsgesetz in § 13 Abs.2 Satz 1 die Bestimmung, dass in Tarifverträgen des Baugewerbes davon abgewichen werden kann.

 

Der Fall:

 

Der Arbeitnehmer war als Betonbauer beschäftigt. Sein Arbeitgeber ordnete saisonbedingte Kurzarbeit an. Das Urlaubsentgelt für die vom Arbeitnehmer genommenen Urlaubstage sowie das Urlaubsgeld kürzte er dann entsprechend. Vor Gericht forderte der Betonbauer von seinem Arbeitgeber jedoch die volle Auszahlung der ihm nach seiner Ansicht zustehenden Urlaubsvergütung samt Zinsen. Nach seiner Ansicht dürften die Kurzarbeitszeiten nicht zu einer Minderung seines Anspruchs auf Urlaubsvergütung führen.

 

Der Arbeitgeber hingegen berief sich auf eine Regelung im Bundestarifvertrag für das Baugewerbe, die vom Bundesurlaubsgesetz gedeckt sei. Das Arbeitsgericht Verden hat den Fall daraufhin dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt.

 

Die Entscheidung

 

Der EuGH hatte nun zu entscheiden, ob das Unionsrecht der nationalen tarifvertraglichen Regelung – vorliegend des BRTV-Bau – entgegensteht. Die Norm des Tarifvertrags sieht vor, dass bei der Berechnung des Vergütungsanspruchs der Verdienst infolge von Kurzarbeitszeiten während des Erholungsurlaubs gekürzt werden darf.

 

Der Generalanwalt Michal Bobek vertrat in seinen Schlussanträgen die Auffassung, dass die Regelung nicht gegen europäisches Recht verstößt, da sie die Art und Weise der Berechnung von Urlaubsvergütung betrifft. Somit sei es nicht europarechtswidrig, wenn nach einer Phase der Kurzarbeit weniger Urlaubsvergütung an den Arbeitnehmer ausgezahlt werde.

 

Die Richter  sahen dies anders und entschieden, dass Arbeitnehmer - unabhängig von früheren Kurzarbeitszeiten -  während ihres Mindestjahresurlaubs Anspruch auf das normale Arbeitsentgelt haben, es folglich nicht einfach gekürzt werden darf.

 

Denn nach Unionsrecht habe jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen. Dieser einheitliche Anspruch bestehe aus zwei Aspekten: dem Anspruch auf Jahresurlaub und dem Anspruch auf Zahlung eines Urlaubsentgelts. Der Gerichtshof führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass die Zahlung des Urlaubsentgelts den Arbeitnehmer während seines Jahresurlaubs finanziell in die gleiche Lage versetzen solle, wie in den Zeiten geleisteter Arbeit. Ist dies nicht der Fall, sei zu befürchten, dass der Arbeitnehmer seinen bezahlten Jahresurlaub deshalb nicht nehme. Der EuGH hob jedoch hervor, dass der Arbeitgeber dieses Entgelt nur für die Dauer des unionsrechtlich vorgesehenen Mindestjahresurlaubs zahlen müsse. Dies gelte jedoch nicht für darüber hinausgehenden Jahresurlaub, der dem Arbeitnehmer nach nationalen Regelungen zustehe.

 

Weiter wies der EuGH daraufhin, dass für den Anspruch auf Urlaub nicht das Gleiche gilt, wie für den Anspruch auf Urlaubsentgelt. Anspruch auf Jahresurlaub erwerbe der Arbeitnehmer nach EuGH-Auffassung nämlich nur für Zeiträume tatsächlicher Arbeitsleistung. Daher seien die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub grundsätzlich anhand der Zeiträume der auf der Grundlage des Arbeitsvertrags tatsächlich geleisteten Arbeit zu berechnen. Der EuGH kam deshalb zu dem Ergebnis, dass der Arbeitnehmer aufgrund der Kurzarbeit nach Unionsrecht nur Anspruch auf zwei Urlaubswochen habe. Tatsächlich hatte er im Jahr 2015 insgesamt 26 Wochen lang nicht gearbeitet. Die exakte Dauer dieser Urlaubszeit müsse aber das nationale Gericht bestimmen.

 

Die EuGH-Richter betonten, dass das nationale Gericht somit verpflichtet sei, das nationale Recht unionsrechtskonform auszulegen. Diese Auslegung müsse im Ergebnis dazu führen, dass die Urlaubsvergütung, die der Arbeitnehmer für den unionsrechtlich garantierten Mindesturlaub erhalte, nicht geringer ausfalle, als das üblicherweise gezahlte Arbeitsentgelt. Ansprüche auf tarifvertragliche Zusatzleistung oder Überstundenvergütung müssten dabei grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.

 

Der EuGH führte in seinem Urteil aus, dass das Unionsrecht die nationalen Gerichte daran hindert, auf der Grundlage des nationalen Rechts das berechtigte Vertrauen der Arbeitgeber zu schützen.

 

Hinweis:

 

Vor dem Tarifausschuss beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 14.12.2018 in Berlin haben die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes erklärt, den BRTV europarechtskonform auslegen und bei nächster Gelegenheit entsprechend ändern zu wollen.

 

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neues Sozialkassenverfahren

neuer VTV-Bau 2019

Am Freitag, dem 14. Dezember 2018 fand um 12.00 Uhr vor dem Tarifausschuss beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales die öffentliche Verhandlung über Anträge auf Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen für das Baugewerbe statt. Dabei ging es auch um den Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV), dessen Änderungen im Vergleich zu den Anpassungen der letzten Jahre erheblich sind. Hier die wesentlichsten Änderungen:

 

Mit Ausnahme für Berlin West steigen die Beiträge steigen 2019 zum Teil deutlich an (18,8% neue Bundesländer, 20,8% alte Bundesländer, 25,75% Berlin-West, 23,75% Berlin-Ost)

 

Nachdem ich im letzten Jahr die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für  Betriebe ohne gewerbliche Arbeitnehmer erfolgreich gerügt habe entfällt nun der Mindestbeitrag in der Berufsbildung für die sog. Soloselbständigen ersatzlos. Die Soka-Bau hatte bereits im letzten Jahr die Beiträge zurückgezahlt.

 

Der Verzugszinssatz reduziert sich minimal von 1,0 auf 0,9 % pro Monat (§ 20 Abs. 1 VTV). Zudem entfallen Verzugszinsen bei Saldierung zukünftig ganz. Ich habe stets auf die Unzulässigkeit der bis dahin üblichen „Zusatzfinanzierung“ über die Verzinsung bei nachträglicher Saldierung hingewiesen.

 

Die Verfalls- und Verjährungsfrist wird von vier auf die Regelfrist von drei Jahren verkürzt (§ 21 Abs. 1 und Abs. 4 VTV).

 

Stundungen, Ratenzahlungen und sogar der Erlass von Verzugszinsen sollen zukünftig leichter vereinbar sein (§ 28 VTV). Der Nachweis, dass und zu welchem Prozentsatz ihrer Forderungen die Träger der Sozialversicherung  sowie  die  Finanzbehörden  sich  zu  einem  Erlass  bereit  erklärt  haben entfällt.

 

Nach Mitteilung der Rechtsvertreter der Tarifvertragsparteien soll die Urlaubskasse angehalten werden, ihre Forderungen zukünftig nicht mehr quartals- sondern jahresweise gerichtlich geltend zu machen.

 

Noch nicht klar sind die Änderungen bei der Definition der für die Beitragsbemessung maßgeblichen Bruttolöhne. Gleich geblieben ist der Bezug auf die in die Lohnsteuerbescheinigung einzutragenden Beträge. Jedoch werden anders als in den vorangegangenen Tarifverträgen Bruttolöhne, die – wie bei geringfügiger Beschäftigung - nicht der Lohnsteuer unterfallen ebenso nicht mehr erwähnt wie die Löhne von Arbeitnehmern, die dem deutschen Lohnsteuerrecht nicht unterliegen. Hier werden wir die Anwendung des Tarifvertrages in der Praxis abwarten.

 

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BAG hält Soka-SiG für verfassungsgemäß

BAG hält Soka-SiG für Verfassungsgemäß

Am 20.11.2018 fanden in Erfurt vor dem 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts drei Verhandlungen mit der Soka-Bau statt. In neuer Besetzung ohne RiaBAG Reinfelder ließ der Senat keinen Zweifel daran,  dass es das Soka-SiG für verfassungsgemäß hält. Klar ist noch nicht, ob dies ohne Einschränkungen gelten soll, denn es ging konkret nur um Ansprüche aus dem Jahr 2016. Zu der Zeit galt bereits der neue § 5 TVG.

 

Der Senat machte zudem deutlich, dass es die in bisherigen Hinweisen zu den Unterschieden der Streitgegenstände Beitragsforderungen nach AVE und Soka-SiG geäußerte Ansicht nicht mehr aufrecht hält. Es geht nun von einer Anspruchshäufung aus.

 

Und, ja, die AVE des VTV 2016 ist wirksam.

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SOKA-BAU verliert Prozess

Soka-BAU verliert Prozess

In einem Prozess mit erheblichem Gegenstandswert hat die Soka-Bau das Gericht nicht davon überzeugen können, dass der Mandant einen Baubetrieb unterhält. Ja auch das gibt es noch!

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Beitragskonto geschlossen!

SOKA-BAU schließt Beitragskonto

Ja, auch das klappt! Mit sorgfältiger Argumentation ist es mir gelungen, die SOKA-BAU schon vorgerichtlich davon zu überzeugen, dass die Mandantin keinen Baubetrieb unterhält. Das spart Geld, Nerven und viel ZEIT!

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VB out now!

Verfassungsbeschwerde

So, die Verfassungsbeschwerde gegen das SOKASiG ist eingelegt. Ich bin da wohl in guter Gesellschaft

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Erfolg gegen die SOKA-BAU

Erfolg gegen die SOKA-BAU

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IG-BAU nicht tariffähig

Bundesarbeitsgericht hat Zweifel an der Tariffähigkeit des Zentralverbands Deutscher Schornsteinfeger e. V. (ZDS)

Der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat ernsthafte Zweifel an der Tariffähigkeit des am Abschluss der Tarifverträge über die Förderung der beruflichen Ausbildung im Schornsteinfegerhandwerk vom 24. September 2012 (TV AKS 2012) und vom 1. Juli 2014 (TV AKS 2014) beteiligten ZDS. (Beschlüsse vom 31. Januar 2018 - 10 AZR 60/16 (A), 10 AZR 695/16 (A), 10 AZR 722/16 (A) -)

Nach der Satzung des ZDS kann „jede/r nicht selbständige Schornsteinfeger/in …, der/die Gesellenprüfung im Schornsteinfegerhandwerk bestanden hat“, Mitglied werden. Selbständige Schornsteinfeger können beitragspflichtige „Fördermitglieder“ des ZDS sein.

Die Revisionen der Beklagten in den Verfahren - 10 AZR 60/16, 10 AZR 695/16 und 10 AZR 722/16 -, die im Streitzeitraum jeweils mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigten, haben zur Aussetzung der Rechtsstreitigkeiten nach § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG* geführt. Das Bundesarbeitsgericht hat u.a. ernsthafte Zweifel daran, ob der ZDS tariffähig für den Abschluss der Tarifverträge war. Aufgrund der in der Satzung vorgesehenen „Fördermitgliedschaft“ von selbständigen Schornsteinfegern bestehen Bedenken daran, dass der ZDS bei Tarifabschluss gegnerfrei war Diese entscheidungserhebliche Frage ist in einem gesonderten Beschlussverfahren zu klären.

 

Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 6/18 vom 31.01.2018

*§ 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG:

 

Hängt die Entscheidung eines Rechtsstreits davon ab, ob eine Vereinigung tariffähig oder ob die Tarifzuständigkeit der Vereinigung gegeben ist, so hat das Gericht das Verfahren bis zur Erledigung des Beschlussverfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 auszusetzen.


Diese Entscheidung hat möglicherweise Auswirkungen auf die Entscheidung des selben Senats des Bundesarbeitsgerichts, der am 21. März 2018 die Anhörung im Beschlussverfahren zur Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung des Sozialkassentarifvertrages der Bauwirtschaft 2015 terminiert hat. In § 4 der Satzung der tarifvertragsschließenden IG BAU heißt es unter 2.c): Mitglied werden können auch Personen, die im Organisationsbereich der IG BAU arbeitnehmerähnlich oder selbständig tätig sind.

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Rochade im BAG

An der Spitze des für SOKA-Sachen zuständigen 10. Senats des Bundesarbeitsgerichts gibt es einen Wechsel. Inken Gallner übernimmt den Vorsitz von Dr. Linck, der an die Spitze des 5.  Senats wechselt. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Wechsel Einfluss auf die Rechtsprechung haben wird.