Das SokaSig und der NS-Unrechtsstaat


Was hat das Sozialkassensicherungsgesetz mit dem NS-Regime zu tun? Auf den ersten Blick nichts! Auch nicht auf den zweiten.

 

 

 

Allerdings hatte sich das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2006 in dem Verfahren - 2 BvR 486/05 – unter anderem mit der Frage zu befassen, ob das NS-Aufhebungsgesetz und die dort getroffene Entscheidung, die dem Anwendungsbereich des Gesetzes unterfallenden Urteile pauschal aufzuheben, verfassungsgemäß ist.

 

 

 

In seinem Beschluss stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass die in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG normierte Teilung der Gewalten nach dem Grundgesetz ein tragendes Organisations- und Funktionsprinzip ist. Die Gewaltenteilung dient der gegenseitigen Kontrolle der Staatsorgane und damit der Mäßigung der Staatsherrschaft (vgl. BVerfGE 3, 225 <247>; 67, 100 <130>; stRspr).

 

 

 

Dabei zielt die Gewaltenteilung auch darauf ab, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen Auch wenn das Prinzip der Gewaltenteilung nirgends rein verwirklicht ist fordert das Grundgesetz die gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten. Die in der Verfassung vorgenommene Verteilung der Gewichte zwischen den drei Gewalten muss gewahrt bleiben. Keine Gewalt darf ein von der Verfassung nicht vorgesehenes Übergewicht über eine andere Gewalt erhalten, und keine Gewalt darf der für die Erfüllung ihrer verfassungsmäßigen Aufgaben erforderlichen Zuständigkeiten beraubt werden.

 

 

 

Ob die Wahrnehmung einer Aufgabe als "Rechtsprechung" anzusehen ist, hängt wesentlich von der verfassungsrechtlichen, traditionellen oder durch den Gesetzgeber vorgenommenen Qualifizierung ab. Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend in der genannten Entscheidung die "Ausübung der Strafgerichtsbarkeit" als typische Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt bezeichnet. Demzufolge sind für die Frage, ob rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidungen abgeändert werden können, das heißt deren Rechtskraft durchbrochen wird, grundsätzlich die Gerichte selbst zuständig.

 

 

 

Gleiches muss auch für die „Ausübung der Arbeitsgerichtsbarkeit“ gelten.

 

 

 

Die Generalkassation formell fortbestehender Strafurteile durch den Gesetzgeber – so das Bundesverfassungsgericht - ist daher eine Maßnahme, die in einem Rechtsstaat besonderer Rechtfertigung bedarf.

 

 

 

Auch die Aufhebung der Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.2016 bedarf solcher besonderen Rechtfertigung. Dieses Erfordernis entfällt auch nicht deshalb, weil das SokaSig die Aufhebung der Beschlüsse formal gar nicht anordnet. Maßgeblich ist allein der Zweck des Gesetzes, der im Ergebnis die Beschlüsse wirkungslos werden lassen soll. „Die Sozialkassen des Baugewerbes müssen infolge der Entscheidungen des BAG vom 21. September 2016 damit rechnen, auf die Rückzahlung von Beiträgen in Anspruch genommen zu werden.“ (Bundestag- Drucksache 18/10631)

 

 

 

Anders als in dem zitierten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts geht es hier nicht um

 

Urteile, die zur Förderung eines Unrechtsregimes gegen die elementaren Grundgedanken der Gerechtigkeit verstoßen oder auf Bestimmungen beruhen, die gravierendes Unrecht verkörperen, und daher offenbares Unrecht darstellen. Die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts sind nicht im entferntesten Urteilen ähnlich, die von Institutionen, die wie der Volksgerichtshof zwar als Gerichte bezeichnet, aber aufgrund ihrer Stellung und Aufgabe keine Organe einer unabhängigen rechtsprechenden Gewalt waren, nicht als richterliche Entscheidungen zu werten sind. Allein schon deshalb ist die pauschale Aufhebung von NS-Unrechtsurteilen durch Gesetz ist schon deshalb gerechtfertigt.

 

 

 

Die zur Rechtfertigung des SokaSig angeführten Begründungen tragen den gewollten Eingriff in die Gewaltenteilung nicht ansatzweise. Weder die mögliche Sinnhaftigkeit des Sozialkassenverfahrens noch eine – nicht belegte – Insolvenzgefahr für die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse vermögen die Verletzung eines tragenden Organisations- und Funktionsprinzips unserer Demokratie zu legitimieren.

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0